Kunst am Bau
Der Bildhauer Tim Maertens nennt die für das neue Wohnquartier Auf dem Baggersand geschaffene Bronzeplastik „Verwandlung“. Er spielt damit nicht nur darauf an, dass das Gesicht der Stadt an der Mündung der Trave sich einmal mehr verändert hat, sondern er bezieht sich noch tiefergehend auf die Wirkung, die sich zeigen kann, wenn Menschen sich neu begegnen.
In der Plastik treffen sich zwei autonome Bewegungen/Körper und berühren sich an einem Punkt ihrer Bewegung. Dieses Bild setzt der Künstler als Metapher für die zwei menschlichen Grundbedürfnisse nach Autonomie, persönlicher Entfaltung und Kreativität einerseits und nach sozialer Verbundenheit, Miteinander, Anerkennung und Partnerschaft andererseits, die in ihrem Zusammentreffen zu mehr als der Summe ihrer Teile werden können. Der Künstler selbst sagt dazu: „Ein Zusammenleben kann sich aber nur dann fruchtbar entwickeln, wenn Individualität und Autonomie in einem flexiblen Gleichgewicht stehen mit den Bedürfnissen aller in dieser Gemeinschaft. Das ist ein Grundprinzip jeder lebendigen Gemeinschaft und nicht zuletzt auch das unserer Gesellschaftsordnung, das immer wieder ein frisches Ausbalancieren von uns fordert. In einer ähnlichen Dynamik berühren und stützen sich die beiden Körper der Plastik deutlich, ohne jedoch ganz miteinander zu verschmelzen oder ihre individuelle Bewegung aufzugeben, wenngleich diese Berührung gleichzeitig auch einen Impuls für ein gewisses Maß an Synchronisierung der weiteren Bewegung sein kann. Diese Plastik schafft das Bild eines dynamischen Gleichgewichtes von Gegensätzen: Individualität und Gemeinschaft, Autonomie und Einheit.“
Durch das Zusammentreffen der beiden geschwungenen Körper - ähnlich zweier Kreissegmente, die zusammen eine Schnittmenge bilden - entsteht in ihrer Mitte auch der Eindruck eines Torbogens. „Das Raumvolumen des Inneren dieses Bogens entspricht annähernd den Proportionen eines Menschen oder noch genauer eines sich umarmenden Paares…“, sagt der Künstler. Die Plastik steht so gleichsam nicht nur formal sondern auch sinnbildlich als Entrée zum neu entstandenen Wohnquartier und kann mit dem geschaffenen Freiraum auch sonst zum Treffpunkt werden. Und mit der grünen Patina der Bronze stellt der Künstler einen direkten Bezug her zur grünen Turmkappe der St. Lorenz Kirche, die in der Blickachse direkt über dem letzten Querriegel der neuen Bebauung sichtbar ist, und schlägt auf diese Weise durch die optische Verbindung zum Kirchturm einen Bogen über die gesamte Anlage bis ins Stadtzentrum Travemündes hinein.
In den unterschiedlichen Details der beiden auf den ersten Blick ähnlichen Körper hat Tim Maertens aber auch noch weitere Metaphern „versteckt“. Dieses zeigen sich zum Beispiel in deren Oberfläche und geometrischer Symbolik. Er erklärt dazu: „Die sechseckige Grundform des einen Körpers steht für das flüssige Element Wasser, hergeleitet aus dessen hexagonaler Struktur sichtbar etwa in der Form von Schneeflocken und Eiskristallen oder in den sechs Seiten der wiederkehrenden Tetraeder-Form des Wassermolekül-Clusters in flüssigem Zustand. Die andere fünfeckige Form dagegen steht für die feste Materie, indem ich das Fünfeck in seiner geometrischen Herleitung gleichgesetzt habe mit der irrationalen Zahl 𝝋 ( phi ), die in Mathematik und Materie für das Proportionsverhältnis des sogenannten Goldenen Schnittes steht, einem Größenverhältnis, das nicht nur in Kunst und Architektur spätestens seit der Antike ein wesentliches Gestaltungsprinzip ist, sondern das, quasi abgelesen aus dem Lebendigen, seine eigentlichen Ursprung in einem grundlegenden Ordnungsprinzip der Natur hat, vielfältig sichtbar in den Formen der Schneckenhäuser, über den Blattstandswinkel fast aller Pflanzen, bis zur Spiralform von Galaxien. Die beiden Bronzebögen können also jeweils auch als Ausschnitte eben dieser goldenen, logarithmischen Spirale weitergedacht werden.“
Auch auf dieser Ebene spiegelt die Arbeit also eine Dynamik im Wechselspiel vermeintlicher Gegensätze an einem Ort, an dem Meer auf Land trifft. Der Titel der Arbeit deutet also, zusammen mit der Kreisbewegung der Plastik, auch auf den lebendigen, natürlichen Kreislauf der Natur, der aber, so der Künstler, „…gleichzeitig auch zu vielen ganz individuellen, persönlichen Bewegungen und Metamorphosen der einzelnen Betrachterin und des einzelnen Betrachters werden darf. Welche Assoziationen darüber hinaus beim Betrachten entstehen, möchte ich bewusst offenlassen. Angesichts der klimatischen und ökologischen Katastrophe, die wir uns konsequent linear erarbeitet haben, mag meine Arbeit aber auf jeden Fall auch etwas dazu anregen, wieder stärker das natürliche Prinzip des zirkulären Wandels gegen das des linearen Wachstums um jeden Preis zu tauschen“. Alles dies darf in jedem Fall an einem Ort wachsen, wo zukünftig Menschen in ihrem neuen Zuhause und schon sehr lange Süßwasser und Salzwasser, Festland und Meer lebendig aufeinander treffen.
Die Entstehung der Bronzeplastik
Entwurf für "Verwandlung" | Der Künstler bei der Arbeit
Fotos: Tim Maertens und Olaf Malzahn
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